14. April 2014
Kirche des Karfreitags und Ostersonntags - Gedanken zur heiligen Woche


Jerusalem - Stadt des Leidens und der Auferstehung

Die Kapelle der Mönche von Tibherine

Wir feiern die Heilige Woche mit dem liturgischen Höhepunkt von Gründonnerstag bis Ostersonntag. Es ist das Fest des Abschieds, des Sterbens und der Auferstehung. Die Feier des Weges durch die dunkelsten Stunden zum Licht. Diesen Weg ist Christus gegangen, und wir dürfen ihn mitgehen. Das ist ein Grund zu feiern: Wir haben die Zusage, dass am Ende jeden dunklen Tunnels unseres Lebens das Licht der Auferstehung scheint. Ich wünsche uns allen den Segen des Auferstandenen, auf das uns diese Vision durchs Leben trägt.

Vision? Oder Illusion? Für viele unserer Zeitgenossen ist dies Illusion, die zwar kurzfristig Kraft geben kann, aber nicht weit trägt. Viele verlassen die Kirche, die Produzentin der Illusionen. Die Frohe Botschaft trägt sie nicht mehr im Leben. Das Rationale mit Statistik und Kontrolle bestimmt das Leben und das, was sich als Wahrheit zeigt. Hinter diesem so begrenzten Horizont liegt das Unwirkliche und Unfassbare. So wird die Gemeinschaft der Gläubigen immer kleiner. Die, die noch an der Botschaft festhalten, gelten als die Zurückgeblieben, als die Fußlahmen in der Entwicklung.

In der Kirche Algeriens wurde der Begriff „Kirche des Karfreitags“ geprägt. Es war in der Zeit, als der Bürgerkrieg tobte, Menschen umgebracht wurden und Chaos herrschte. Wer konnte, verließ das Land, unter ihnen auch die meisten Christen, die Ausländer waren. Nicht so die Mönche von Tibherine. Sie blieben dem Land und den Menschen treu, sie bezahlten mit dem Leben. Es war ihr Zeugnis der Treue und Liebe zu dem Land und den Menschen. Ihre Kirche war bis auf wenige Gläubige geschrumpft. Sie war in ihrem Leben erheblich eingeschränkt, viele erwarteten ihr Ende. In dieser Situation wurde der Begriff „Kirche des Karfreitags“ geprägt. Der Bischof von Constantine und Hippone, Gabriel Piroid, deutete die Lage seiner Kirche im Licht des Leidenswegs Jesu und verwies zugleich darauf, dass nach Karfreitag noch nicht Ostersonntag sondern erst Karsamstag kommt, der Tag der Grabesruhe, des Nichts und der Perspektivlosigkeit. Nach all dem Leiden sollte für die Christen die Zeit ohne Leid, aber auch ohne Leben kommen.

Es war völlig unvernünftig in diesem Land zu bleiben, wenn man weggehen konnte. Und dennoch hat der Bischof mit seiner Deutung die Gläubigen ermutigt zu bleiben. Es war eine Horizonterweiterung, über das Vernünftige und Rationale hinaus. Eine solche Horizonterweiterung ändert nicht den Standpunkt und die Lage, aber sie gibt eine neue, geweitete Perspektive und setzt den eigenen Standpunkt in eine neue Beziehung zum Horizont. Und so leugnete die Kirche zu keinem Zeitpunkt die gefährliche und kritische Lage, zu keinem Zeitpunkt rief der Bischof zu Blauäugigkeit und unvernünftigem Handeln auf. Aber er zeigte eine Perspektive auf, in der ein neues Leben möglich war, noch nicht klar erkennbar und analysierbar, diese Perspektive gab aber dennoch die Kraft für den weiteren Weg. Die Erinnerung an Leiden und Auferstehung Christi öffnete den Geist für eine ferne Zukunft.

Die Aufgabe der Kirche, derjenigen die geblieben waren, war es nun, den Glaubensschatz im Stillen zu bewahren. Weder Mission noch öffentliches Glaubenszeugnis war möglich. Jetzt kam es auf die stillen Diener der Kirche an, die den Schatz bewahren und für die Zukunft aufbereiten, soweit dies schon möglich war. Noch ist in Algerien die Kirche keine Kirche des Ostersonntags, aber der Ostersonntag wirft heute schon sein Licht voraus. Früchte des Bewahrens und des Aufarbeitens zeigen sich, wenn Christen und Kirche wieder Achtung erfahren und Menschen sich zur christlichen Botschaft bekennen und konvertieren. Noch zahlen sie hierfür häufig einen hohen Preis.

Auch wir hier in Deutschland können im Horizont der Heiligen Woche die Lage unserer Glaubensgemeinschaft deuten. Vieles, Skandale und Mitgliederschwund, deuten darauf hin, dass auch wir uns auf den Karfreitag zu bewegen und der Karsamstag noch kommen wird. Unsere Perspektive soll aber der Ostersonntag, der Tag der Auferstehung sein. Diese Perspektive fordert aber eben nicht dazu auf, die Situation zu leugnen und wegzulaufen, sondern die Herausforderungen anzunehmen, das Gute zu bewahren und für die Zukunft aufzuarbeiten. Dies ist Handeln im Horizont der Auferstehung, der die vernünftige Analyse übersteigt.

In vielen Ländern Westeuropas sind die Situation und die Herausforderungen der Kirche die gleichen. Die jungen Kirchen des Südens sind – so scheint es – in einer anderen Situation. Manche sehen ihre Situation und ihr Wachsen im Lichte des Ostersonntags oder im Lichte der Berufung der Jünger. Aber es gibt auch Kirchen, die angesichts der Kriege, des Terrors und des wirtschaftlichen Desasters, oder auch der Verfolgung ihrer Gläubigen und des Verbots der Mission, ihre Situation im Lichte des Karfreitags oder gar des Karsamstags deuten möchten. Vor allem ihnen soll die österliche Erinnerung den Weg über den sichtbaren Horizont hinaus weisen.

Förderer und Mitarbeiter des MWI nehmen am kirchlichen Leben all dieser jungen Kirchen teil, sowohl der Kirchen, die im Lichte des Ostersonntags stehen, als auch der Kirchen, die im Schatten des Karfreitags leben. Unsere Solidarität gilt vor allen denen, die die Kirche künftig durch diese Zeiten führen sollen.

Ich wünsche allen ein gesegnetes Osterfest und Freude und Zuversicht aus der Erinnerung an die Auferstehung unseres Herrn.

Ihr Prof. Dr. Harald Suermann